30 Jahre PTR Strahltechnik: Vom Getriebebau bis zur E-Mobilität mit dem „Alleskönner“ Elektronenstrahl
Dies vorweg: Wirklich alles kann der Elektronenstrahl natürlich nicht, aber seine Einsatzmöglichkeiten in der Metallbearbeitung sind so vielfältig (Schweißen, Bohren, Oberflächenbehandlung, und das im Vakuum oder an Atmosphäre) und effektiv, also höchst wirtschaftlich, dass man ihn zumindest ein Multitalent nennen kann. Die Zahl der Anwendungsbeispiele ist riesengroß.
Die PTR STRAHLTECHNIK GmbH im hessischen Langenselbold, ein führendes, weltweit tätiges Unternehmen bei der Entwicklung und Anwendung der Elektronenstrahltechnologien, feiert in diesem Jahr ihr dreißigjähriges Bestehen. Die ununterbrochene Historie des Elektronenstrahlschweißens im Raum Hanau ist jedoch viel älter: Die erste Serienmaschine wurde durch W. C. Heraeus 1963 für IBM gebaut, sie schweißte Teile für Computerdrucker mit einer Präzision von 0,01 mm voll automatisiert bei höchster Produktivität: pro Zyklus 40 Teile mit je vier Schweißstellen.
1967 wurde die erste Taktmaschine für den Automobilbereich zum Schweißen von Getrieberadkombinationen im Feinvakuum beim VW-Konzern in Baunatal in eine Fertigungslinie integriert mit einer Stückzeit von 13 s. Diese Applikationsrichtung wurde im Verlauf von nunmehr über 50 Jahren fortgeführt und immer weiter ausgebaut.
Als inzwischen klassisch zu nennen ist das hochpräzise Verschweißen von zuvor gehärteten und fertiggeschliffenen Schalträdern mit Synchronringen für Pkw-Getriebe. Allein für diesen Anwendungsfall des Elektronenstrahls arbeiten mehrere hundert PTR-Maschinen in aller Welt, womit auch das verzugsarme Fügen komplizierter Einzelteile von Automatikgetrieben der Oberklasse zum Einsatz kommt. Dank des bekannten Tiefschweißeffekts erschloss die PTR auch zahlreiche Anwendungsfelder für Nutzfahrzeuge: Achsbaugruppen, Getriebekomponenten, Kühlkanalkolben, Dämpfer, Druckspeicher usw.. Hervorragend ist die Einsatzmöglichkeit des Elektronenstrahls auch beim Fügen komplizierter Werkstoffkombinationen, wie sie zum Beispiel an Läufern für Turboladern vorliegen.
Außer zum Schweißen ist der Elektronenstrahl beim lokalen Härten von höchstbelasteten Zonen und nur genaudort an Nockenwellen oder Ventilen aus dem Bereich des Fahrzeugmotors gut etabliert. Es ist kein Wunder, dass im Automobilbau (OEMs und Zulieferer) als einem der bedeutendsten Industriezweige der Einsatz der Elektronenstrahltechnik als überaus wirtschaftlich erkannt wurde – auch und gerade, weil damit komplexe Baugruppen aus kostengünstig zu fertigenden Einzelteilen gefügt werden können. Mehrere Unternehmen betreiben jeweils bis zu 70 von PTR gelieferte Elektronenstrahlmaschinen. Diese sind als Einrichtungen in der Massenfertigung einschließlich automatisierter Verkettung zu vor- und nachgelagerten Bearbeitungsstufen geliefert worden.
Die zunehmend wichtiger werdenden Herausforderungen des Klimaschutzes haben auch im Automobilsektor zu Veränderungen geführt (zum Leichtbau schon seit vielen Jahren): gemeint ist die aktuell forcierte E-Mobilität mit völlig anderen Anforderungen an die Herstellung. Hier sind es vor allem die Werkstoffe Kupfer und Aluminium einschließlich Legierungen, die mit dem Elektronenstrahl besonders gut geschweißt werden können. Dieser Teilchenstrahl weist praktisch keine Barrieren an der Werkstoffoberfläche auf (Reflexion, Oxidschichten oder Ähnliches), so dass die Strahlenergie extrem schnell und tief in den Werkstoff eingekoppelt wird. Hairpin-Verbindungen für leistungsstarke Rotoren und Statoren, Gehäuse für empfindliche Komponenten oder Batterien sowie Hochstromverbinder sind neben vielen anderen und neuen Aufgaben – auch außerhalb der Automobilindustrie – die aktuellen Herausforderungen, denen sich die Experten der PTR gestellt haben und stellen werden. Entscheidend für den Erfolg in diesem Zukunftsfeld sind der große Erfahrungsschatz, den die Mitarbeiter in der langen Geschichte des Unternehmens erarbeitet haben und die intensive Zusammenarbeit mit den Anwendern.
Dipl.-Ing. Uwe Müller, PTR STRAHLTECHNIK GmbH, Langenselbold
Veröffentlicht in Schweißen und Schneiden 71 (2019) Heft 11
PTR Strahltechnik
